Ev.-luth. Kirche St. Georg zu Kemme
Ev.-luth. Kirche St. Georg zu Kemme
Die Kirche ist ein neugotischer Backsteinbau von 1891/92 des Hildesheimer Architekten Werner Söchtig, der auch die Christuskirche auf dem Moritzberg in Hildesheim und die evangelische Kirche in Groß Escherde im gleichen Stil entwarf. Der Turm ist wesentlich älter und als Wehrturm mit behauenen Bruchsteinen erbaut. Ein Stein trägt die Jahreszahl 1574. Die kompakte Bauweise lässt auf eine ältere Erbauungszeit schließen (s. S. 7).
Eine Urkunde von 1456 erwähnt neben dem heutigen Patrozinium St. Georg noch St. Katharina sowie den Patronatsherrn Ludwig von Veltheim zu Rosenthal. Nach seinem Tode ging das Patronat auf die Herren von Cramm über, die es 1951 aufgegeben haben.
Betreten wir die einschiffige Saalkirche mit fünfseitigem Chorschluss, so empfängt uns ein warmer, in klaren Formen gestalteter Sakralraum. Die Decke besteht aus einem Kreuzrippengewölbe und wird, wie die weiß gestrichenen Wände und die spitz zulaufenden, bleiverglasten Fenster, durch rote Backsteinornamentik gegliedert. Ursprünglich war sie mit Pflanzenranken vom Dekorationsmaler Carl Saeger aus Hildesheim ausgemalt, der später auch die Christuskirche mit floralen Motiven farblich gestaltete. Bei der Kirchenrenovierung 1962 wurde diese Fassung übermalt und konnte leider bei der umfangreichen Renovierung 1987/88 nicht wiederhergestellt werden.
Vorbei an den Kirchenbänken von 1891 wird unser Blick auf den Altarraum gelenkt. Der Altar besteht aus einem Tisch mit Retabel. Er ist vom Hildesheimer Holzbildhauer Carl Bütefisch 1891 aus Eichenholz geschaffen worden. Das Retabel besteht aus drei neugotischen Nischen. In der mittleren, erhöhten Nische hängt ein Kreuz mit besonderer Korpusform, die im 19. Jahrhundert gebräuchlich war: Jesus wird mit der Dornenkrone und im Viernageltypus dargestellt. In der linken Nische steht Paulus mit dem Schwert. Die Figur in der rechten Nische hält ein Buch in der Hand. Ihr fehlt zur näheren Bestimmung das Attribut. Der Architekt Söchtig erwähnt eine Petrus-, eine Paulus- und eine Christusfigur, die von Herrn Bütefisch 1891 bezogen wurden. Die Nischen, in denen diese Figuren stehen, sind mit Krabben verziert und mit Kreuzblumen und Fialen besetzt. Den Abschluss des Altares bildet ein Kreuz.
Rechts am Pfeiler des Chorbogens steht eine Kanzel ohne Schalldeckel. Sie ist mit dezentem Weinlaubschnitzwerk ornamentiert. Links vor dem Chor befindet sich ein zierliches Taufbecken mit spitz zulaufendem Deckel. Kanzel und Taufbecken sind aus Holz und ebenfalls von Carl Bütefisch 1891 geschaffen worden.
Die Orgel ist 1858 von Heinrich Schaper unter Verwendung des Pfeifenmaterials der alten Kemmer Orgel für die Vorgängerkirche gebaut worden. Für die heutige Kirche baute August Schaper 1891/92 diese Orgel um. Neue Prospektpfeifen bekam die Orgel 1934 von P. Furtwängler & Hammer aus Hannover. Die Architektur des Orgelprospektes ähnelt dem Aufbau des Altares. Beeindruckend an der Innenausstattung der Kirche ist die einheitlich gewählte schlichte gotische Schmuckform des Vierpasses. Sie findet sich an allen aus Holz geschaffenen Einrichtungsgegenständen wieder, sogar an den Altarleuchtern, den Lampen und am Abendmahlskelch. Nur die Kirchenbänke weisen zusätzlich die Schmuckform des Dreipasses auf. Im Streben nach stilistischer Einheitlichkeit und Reinheit steht diese Kirche beispielhaft für den Dorfkirchenbau der Hannoverschen Schule mit seinem Begründer Conrad Wilhelm Hase (1818–1902).
Die Turmuhr wurde vom Uhrmacher Weule aus Bockenem 1863 hergestellt. Im alten Kirchturm hängen zwei besondere Glocken. Die große Glocke mit dem Es-Glockenton wiegt ca. 850 kg. Sie entstand 1932 und gehört zu den letzten, die in der Hildesheimer Glockengießerei der Gebrüder Radler gegossen worden sind. Die kleine, eine Fis-Glocke mit einem Gewicht von 700 kg, wurde laut lateinischer Inschrift durch die Arbeit des Gießers Heisi Meyer in der Welfischen Werkstätte 1664 gegossen. Eine weitere Inschrift dieser alten Glocke lädt uns auch heute noch herzlich ein:
Ich rufe jedermann zum Gottesdienst heran.
Mit heller Stimme
komm komm in Gottes Heiligtum