Viele Fallstricke lauern im weltweiten Netz
Großen Nutzen bringt das Internet – aber auch riesige Risiken. Das Bewusstsein für die Fallstricke im weltweiten Datennetz will die Richard-von-Weizsäcker- Schule schärfen. Sie organisierte Schulungen mit externen Experten für die Eltern, Lehrer und Schüler. Die werden nun nicht mehr so schnell in manche Falle tappen.
„Was ihr ins Internet stellt“, Peter Leppelts Stimme ist beschwörend, der Blick eindringlich, „steht dort für alle Ewigkeit, wird nie wieder gelöscht und ist für alle Menschen auf der Welt zu sehen.“ Die Achtklässler halten den Atem an. Diese Dimension war manchem von ihnen offenbar nicht bewusst. Bevor sie private Informationen in den Weiten des „Webs“ versenken, sollten sie sich das gründlich überlegen, mahnt Leppelt. „Ihr stellt ja auch kein Schild mit Hinweisen auf eure persönlichen Vorlieben in den Vorgarten. Schon gar nicht, wenn er so groß wie die ganze Welt wäre.“
Leppelt ist mit seinem Kollegen Wulf Bolte in der Schule zu Gast. Beide gründeten vor zweieinhalb Jahren in Hannover die Firma „praemandatum“. Sie verdienen zwar ihr Geld mit Beratung rund um den Datenschutz, bieten diese aber für Schulen stark ermäßigt an.
Die meisten Jugendlichen lernen heute das Surfen im Internet so selbstverständlich wie in den ersten Lebensjahren das Laufen. „Der Computer ist für sie ein unverzichtbares Freizeitzubehör“, sagt Leppelt. Der Nachwuchs tauscht sich auf Internet-Foren aus, sucht und fi ndet Freunde im „Schüler-VZ“ – und wird dabei nicht selten leichtsinnig.
Jeden Tag werden laut Bolte mehr als 600 000 persönliche Fotos ins Schüler-VZ gestellt. Manchmal kleben an diesen Fotos andere digitale Daten, von denen man gar nichts ahnt: Fotos, die mit einem iPhone aufgenommen sind, werden oft automatisch mit genauen Koordinaten gekennzeichnet. Sie verraten, an welchem Punkt der Erde das Bild entstanden ist, auf zwei Meter genau. So ist es für Unbekannte keine große Kunst, die Adresse des ahnungslosen Absenders herauszufi nden. Leppelts Botschaft: „Beschäftigt euch mit der Technik, die ihr nutzt.“ Denn oft ist die Weitergabe von Daten mit ein paar gezielten Klicks zu unterbinden – man muss nur wissen, wie es geht.
Privatsphäre nur für Elite
Dieses Wissen wird in Zukunft noch viel wertvoller sein, meint Bolte. Seine Prognose ist düster: Nur noch eine kleine, technisch gebildete Elite werde künftig überhaupt noch so etwas wie eine Privatsphäre haben. Denn für Nicht-Informatiker sei es schon jetzt unmöglich zu verstehen, an welchen Stellen persönliche Daten von ihnen gesammelt werden, an wen sie übertragen und wie sie genutzt werden können. Das werde sich noch dramatisch verschärfen.
Den Eltern und Lehrern zählt er abends im vollen Mensa-Saal auf, durch welche Online-Dienste zum Beispiel „Google“ zu welchen Daten kommt. Da bleibt fast nichts mehr verborgen. Betroffene Blicke. Bolte nickt: „Ja, es ist schon ein bisschen gruselig.“ Und wird es wohl erst noch richtig werden. Zum Beispiel durch „Cloud Computing“. Vor wenigen Tagen pries der Deutschland-Chef von Microsoft das neue System, das Programme und Speicherplatz quasi direkt im Internet bereitstellt, als „Quantensprung“. Der Sprung kann für den Datenschutz einen Sturz bedeuten. Boltes Befürchtung: „Dann weiß niemand mehr, wo in der Welt seine Daten gespeichert werden.“ Er appelliert an die Schüler, zumindest einige kleine Regeln zu beachten, die schon ein großes Stück Sicherheit bringen können.
Beispiel Passwörter: Das Kennwort, das den Zugang zu persönlichen Informationen im Internet öffnet, sollte möglichst aus einer sinnlosen Reihe von Zahlen, Buchstaben und Sonderzeichen bestehen. Computer von kriminellen Elementen können Passwörter sonst in Windeseile knacken: „Um ein verschlüsseltes Passwort mit dem gesamten Inhalt des deutschen Dudens zu vergleichen, braucht solch ein Computer vielleicht eine Viertelsekunde“, sagt Leppelt.
Beispiel Virenschutz: Viren können sich auf der Festplatte eines PC einnisten und Informationen ausspionieren. Ein guter Schutz kann schon ein anderes Betriebssystemsein. „Die meisten Einbrecher kommen durchs Fenster“, warnt Leppelt. Gemeint ist: Windows, das Betriebssystem von Microsoft, das weltweit auf den meisten Computern läuft. Laut Leppelt gibt es rund 20 bis 30 Millionen Viren, die auf Windows gepolt sind – aber kein einziges bekanntes Computer-Virus, das auf das wenig bekannte System „Linux“ zielt. Dabei sei das sogar kostenlos.
Lawinen im Internet
Welche Lawinen im Internet losrollen können, beschreibt er an einem Beispiel: Einst stand ein etwas dicklicher asiatischer Junge mit einem unglücklichen Gesichtsausdruck auf einem Schulhof, irgendwo im fernen Osten. Er wurde fotografiert. Das Foto landete auf irgendeiner Seite im Internet, vielleicht auf der Homepage seiner Schule. Dort sah es irgendein anderer „Surfer“ und fühlte sich animiert, dem Jungen eine Mongolenmütze aufzumalen. Kein Kunststück mit modernen Bildbearbeitungsprogrammen.
Das war die Vorlage für viele weitere Internet-Nutzer, die das Foto im „Web“ entdeckten – und auf immer neue Weise verhunzten. Inzwischen existieren Abertausende von Versionen dieses Bildes. Der Junge ist weltweit bloßgestellt. „Stellt euch vor, das macht jemand mit euch“, sagt Leppelt. „Und ihr habt überhaupt keine Kontrolle mehr darüber. Ihr könnt nicht einfach umziehen, nicht einfach davor fliehen. Egal wohin ihr kommt, das Internet ist schon da.“
Für die Schüler ist das Datennetz durch den Besuch der Fachleute aber nicht nur unheimlicher, sondern auch ein bisschen besser beherrschbar geworden. Das ist das Ziel von Rektorin Ulrike Stengert-Schaumburg, die dafür Geld aus dem Etat freischaufelte. „Weil es ein wichtiges Thema ist.“
Begleitet wird das Thema von der Lehrerin Susanne Meyer. Auch auf sie haben die Hintergrundinformationen Eindruck gemacht.Als Bolte ihr noch weitere Details per E-Mail auf den Computer schicken will, zögert sie und meint schmunzelnd: „Ich muss erstmal überlegen, ob ich den jemals wieder anschalte.“
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors (Thomas Wedig/Hildesheimer Allgemeine Zeitung)
Die Internet-Experten Wulf Bolte (links) und Peter Leppelt klären Achtklässler in Ottbergen über die Gefahren des Internets auf. Foto: Wedig