Ein Dino muss zum Interview
Ich weiß ja gar nicht, ob ich dieses Juwel einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen sollte. Denn man kennt das ja: Kaum berichtet die Presse über einen Insider-Tipp, schon ist es mit der Idylle vorbei, weil plötzlich Heerscharen von Nachahmern ein neues Trendziel entdeckt haben wollen. Aber egal. Als Montagvormittag kurzfristig die Sonne am Himmel auftaucht, steuere ich das Freibad in Garmissen an. Dort geht es so familiär zu, dass Schwimmmeistergehilfe Heinz Germershausen seine Gäste noch per Handschlag begrüßt. Den 54-jährigen Hildesheimer nennen alle nur liebevoll „Badi“. Ein Titel, den er sich im Lauf von 29 Jahren redlich verdient hat. Generationen haben bei Badi das Schwimmen gelernt, bringen mittlerweile ihre eigenen Kinder zum Schwimmunterricht nach Garmissen.
Doch Sturmtief „Zeljko“ und das unbeständige Wetter zum Wochenauftakt haben die Pläne von Germershausen durcheinandergewirbelt. Statt Schwimmunterricht steht für ihn erst einmal Großreinemachen auf dem Programm. Mit dem Unterwasserstaubsauger befreit er die Becken vom Laub, bevor die ersten Gäste das Bad betreten.
Eine von ihnen ist Monika Rohmann aus Schellerten. Die blonde Frau hat sich zum Spottpreis von 37,50 Euro eine Jahreskarte gekauft, lässt sich weder von „Zeljko“ noch von anderen Stürmen den Spaß am Schwimmen vermiesen. „Das ist absolut herrlich hier. Jeder kennt jeden“, schwärmt die 67-Jährige, als ich mit ihr ein paar Runden im 25-Meter-Becken drehe. Die Wassertemperatur liegt bei angenehmen 23 Grad. Nass ist es natürlich trotzdem, weshalb ich Notizblock und Kugelschreiber vorsichtshalber nicht mit ins Becken nehme. Oder sollte ich lieber Privatpool sagen? Denn außer Monika Rohmann sind nur noch drei weitere Schwimmer auf den Bahnen unterwegs. Die genießen die Abgeschiedenheit und Ruhe im Freibad. So wie an jedem Vormittag.
Denn es muss schon richtig heiß werden, damit es in Garmissen mal richtig brummt: „Dann fliegt hier aber auch die Bude auseinander“, erinnert sich Heinz Germershausen an die Rekordbesuche aus der Vergangenheit mit bis zu 1500 Tagesgästen.Statt um 19.30 Uhr schließt der Schwimmmeister das Bad dann auch schon mal erst um 21 Uhr, wofür die Gäste mit einem Top-Zuschlag von zwei Euro zur Kasse gebeten werden. Es muss wohl einer dieser besonders heißen Tage gewesen sein, als Badi nach Feierabend einen Plastik-Dinosaurier auf der Liegewiese entdeckte. Irgendein kleiner Badegast hatte das aufblasbare Schwimm-Spielzeug vergessen, sich aber nicht wieder gemeldet. Sehr zum Bedauern des kleinen Dinos, der vor lauter Kummer bereits in sich zusammengefallen ist. „Den kriegen wir wieder hin“, sage ich zu Badi und starte einen Wiederbelebungsversuch durch Mund-zu-Mund-Beatmung. Nach fünf Minuten bin ich aus der Puste und der Dino wieder oben auf. Da er mir aber trotzdem nicht seinen Namen verraten will, soll der Besitzer jetzt mit dieser Presseveröffentlichung ermittelt werden. Bis dahin nimmt Badi den Dino weiter in seine Obhut.
Schließlich ist Heinz Germershausen nicht nur Schwimmmeistergehilfe, sondern auch Mädchen für alles. Ein Job, um den ihn sogar Schellertens Bürgermeister Axel Witte beneidet: „Der sagt immer zu mir, dass ich den schönsten Beruf in der ganzen Gemeinde habe“, sagt Germershausen und nippt an seinem Kaffee. Auch den muss er sich selbst zubereiten, da der kleine Kiosk im Freibad nur an richtig heißen Tagen öffnet. Ob die denn dieses Jahr noch kommen?, frage ich den Bademeister. Der blickt in den wolkenverhangenen Himmel, zögert mit der Antwort: „Wenn, dann bald. Denn in sieben Wochen ist die Saison schon wieder zu Ende.“
Für mich geht die Reise heute weiter. Obwohl Angler bei ihrem Hobby ja nicht gestört werden wollen, möchte ich den Petri-Jüngern einmal über die Schulter schauen. Ich werde dabei auch ganz leise sein. Versprochen.
Bei der Klappstuhl-Reise ist die HAZ auch mit der Videokamera dabei. Die Clips gibt es unter www.hildesheimer-allgemeine.de/mediathek.
(geänderter) Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors (Peter Rütters/Hildesheimer Allgemeine Zeitung)
Bild: Peter Rütters hat den Dino per Mund-zu-Mund-Beatmung wiederbelebt. Doch das Schwimmspielzeug macht beim Interview keine weiteren Angaben zur Person. Foto (c) Kaiser