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Ecksteine an der St. Petri Kirche in Schellerten

Ecksteine am Turm der St. Petri Kirche in Schellerten

Auf den flüchtigen Betrachter wirkt die ev.-luth. St. Petri Kirche in Schellerten heute wie ein zusammengehöriges Gebäude. Bei näherem Hinsehen, berichtet ein Schlussstein über dem Haupteingang allerdings vom Baubeginn des Kirchenschiffs im Jahr 1766. Ein Blick auf die Westseite des Kirchturms offenbart hingegen, dass diese Bruchstein­wand viele Jahrhunderte älter ist.

Spätestens seit dem 14. Jahrhundert gibt es in Schellerten eine Kirche, denn 1373 und 1374 erwähnen die Urkunden einen ehemaligen Schellerter Pastor namens Thidericus (Dietrich), der in Hildesheim Geschäfte tätigt. Zu dieser Zeit stand wohl auch bereits der Kirchturm. An seiner im unteren Bereich mittelalterlichen Westwand ist heute an Art und Verarbeitung der Bruchsteine deutlich zu erkennen, dass er – vermutlich 1603 – einmal eingestürzt ist. Beim Wiederaufbau wurde 1608 an der Nord-West-Ecke eine Inschrift angebracht.

Herzog Heinrich Julius von Braunschweig und Lüneburg, dessen Wappen am Kirch­turm angebracht ist, hatte am 17. Juni 1604 von den Schellertern das Patronat an der Kirche, das diese bis dahin selbst innehatten, übertragen bekommen. Die Gemeinde hielt diesen Schritt für nötig, weil sie von ihrem Landesherrn, Hildesheims katho­li­schem Fürstbischof Ernst von Bayern, zur Rückkehr zum katho­lischen Glauben ge­zwun­gen werden sollte, obwohl ihr bei dessen Amts­einführung 1581 zugesichert worden war, die lutherische Religion behalten und frei ausüben zu können.

Die Inschrift am Kirchturm verrät weiter, dass Ulrich Gerland aus Hildesheim damals Pastor in Schellerten war. Der in Schellerten sehr beliebte Geistliche ließ beim Wiederaufbau des Kirchturms 1608 eine lateinische Inschrift anbringen, die nach einer Übersetzung von Dr. Christine Wulf bedeutet:

 

Wenn es schon genügt, Anklage zu erheben –

wer wird sich dann noch als unschuldig erweisen?

 

Sie spiegelt die angespannte Situation wieder, die im Folgenden noch weiter eskalieren sollte. Im Zuge seiner Rekatholisierungsbestrebungen ließ Fürstbischof Ernst 1608/09 eine Visitation im Fürstbistum Hildesheim durchführen, bei der alle Geistlichen befragt wurden. Am 7. Februar 1609 trat Ulrich Gerland aus Schellerten vor die Kommission und gab an, im lutherischen Glauben leben und sterben zu wollen. Infolgedessen befahl ihm die Kommission, sich in Zukunft des Predigens zu enthalten. Außerdem sollte er innerhalb eines Monats die Gemeinde verlassen.

Ulrich Gerland räumte die Pfarrstelle nicht. Erst im Oktober 1611 hielt er dem immer stärker werdenden Druck nicht mehr stand und ging ins Ausland. – Er wurde Pastor in den beiden Lindes (Oster- und Westerlinde, heute zur Stadt Salzgitter bzw. zur Samtgemeinde Baddeckenstedt gehörig). Zur Gemeinde in Schellerten hielt er weiterhin guten Kontakt.

Die Rekatholisierung gelang in Schellerten nicht. Mit den Bestimmungen des Braunschweiger Rezesses fiel das Schellerter Patronat 1643 wieder an die Gemeinde zurück.

Zurück zur Inschrift an der Kirchturmecke: Im Jahr 1608 sind Cord Carstens, Sohn von Hans Carstens, und Hinrich Groten der Ältere Olderlude, also Kirchenvorsteher in Schellerten. Den Küsterdienst versieht Johannes Groten, den Altardienst Hans Langcop zusammen mit Berent Berendes. Hans Langcop hat für den Wiederaufbau 50 Floren „verehrt“. Eine so beachtliche Summe, dass sie hier explizit genannt wird.

 

Über der Inschrift von 1608 befindet sich noch eine weitere von 1933/34. Zu dieser Zeit wurde unter Superintendent Johannes Kirchberg u.a. der Turm mit Kupfer gedeckt. Eine finanziell von der neuen nationalsozialistischen Regierung unterstützte Maßnahme, die von vielen Einwohnern positiv aufgenommen wurde. Die Gemeinde selber hätte lediglich die bisherige Schieferdeckung erneuern lassen können.

 




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